Die Zeit, die der Apokalypse vorangeht, wenn Welt und Werte auseinanderbrechen und sich das Oberste nach unten kehrt, heißt in der germanischen Mythologie Wolfzeit. Eine Mittelstandsfamilie – Vater, Mutter und zwei Kinder – flüchtet vor einer undefinierten Katastrophe aus der Großstadt in ihr Privatrefugium auf dem Land. Sie glauben, so dem allgemeinen Chaos zu entgehen. Schnell und schmerzhaft werden sie eines Besseren belehrt. Eine Irrfahrt durch ein zerstörtes Land beginnt, und es sieht aus, als wären ihre Stationen die eines Kreuzwegs.
WOLFZEIT ist die unheilvolle Erzählung einer Odyssee durch die Apokalypse, die zerfallende Zivilisation. Wie es dazu kommen konnte, lässt Michael Haneke (Das Weiße Band, Funny Games) unbestimmt, Erwartungshaltungen scheren ihn nicht. Er richtet den Blick stattdessen auf die menschlichen Instinkte, die sich infolge der unbestimmten Katastrophe und inmitten einer feindlichen Umwelt Bahn brechen. Auch jenseits der extremen Ausbrüche ist eine latente Gewalt hier stets spürbar. Die beklemmende Dunkelheit, der kühle Minimalismus und Hanekes objektivierende Inszenierung erzeugen darüber hinaus eine Distanzlosigkeit, die WOLFZEIT zu einer echten Herausforderung für das Publikum macht.
Quelle/Foto: ALIVE AG